Die Pfarrkirche in Vachendorf war im Jahr 1678 mehr Ruine als Raum der Andacht. Pfarrer Oppenrieder wusste, dass man nicht mehr lange zögern konnte. In einem ausführlichen Schreiben wandte er sich an den Pflegsverwalter Spannagl in Traunstein. Es war ein Hilferuf – und gleichzeitig ein präziser technischer Bericht.
Das Scharschindeldach über dem Langhaus war undicht, die Hauptmauern – insbesondere die linke – instabil. Die dicken Säulen im Kirchenschiff versperrten vielen Gläubigen den Blick auf den Altar. Die Sakristei war zu klein, die Seitenkapellen düster, die Totenkapelle kaum nutzbar. Und durch die Chormauer drang Regen.
Pfarrer Oppenrieder hatte sich nicht allein auf seine Einschätzung verlassen. Er berief sich auf das Urteil des renommierten Hofmaurermeisters Caspar Zuccalli, der bei Gelegenheit des Neubaus in Traunstein auch die Vachendorfer Kirche besichtigt hatte. Sein Gutachten fiel eindeutig aus – ein Neubau sei unumgänglich.
Auch der Visitationsbericht aus dem Vorjahr bestätigte die Schäden. Und so argumentierte der Pfarrer, dass alle Voraussetzungen gegeben seien, um nicht nur zu sanieren, sondern von Grund auf neu zu bauen.
Die Finanzierung erschien ihm möglich. Die Mutterkirche wurde unterstützt durch zahlreiche Filialgotteshäuser: St. Georg am Berg, Einharting, Siegsdorf, Vogling, Zell und Ruhpolding. Auch die Bruderschaften in Vachendorf und Siegsdorf verfügten über Mittel. Aus Rücklagen, jährlichen Zinsen und Beiträgen der Pfarrei könne man den Neubau stemmen – ohne die Kapitalien anzugreifen.
Der Pflegsverwalter Spannagl reagierte prompt und entschlossen. In seinem Schreiben kündigte er an, persönlich nach Baumburg zu reisen, um dort dem Propst Patritius die Pläne zu übergeben – mit dem Ziel, den Baubeginn zu beschleunigen, „weilen die Notturft erfordert, bereits werkh ehestens anzufangen“.
Die Pläne stammten von Maurermeister Lorenzo Sciasca. Der aus Graubünden stammende Baumeister hatte bereits im südostbayerischen Raum gearbeitet und war für seine durchdachte, lichtoffene Bauweise bekannt. Sein Entwurf versprach eine moderne Barockkirche – mit größeren Fenstern, klarerer Struktur, ohne die Sicht behindernde Säulen. Die schwere Dachlast sollte auf solide Mauern verteilt werden. Die Kostenschätzung: 5029 Gulden und 10 Kreuzer. Mit Nebenkosten und Zuschlägen kam man auf eine Gesamtsumme von rund 6622 Gulden.
Auch der Propst Patritius zeigte sich offen für das Projekt. Zwar wies er auf den noch ausstehenden Konsens des Erzbischöflichen Konsistoriums in Salzburg hin, ließ aber keinen Zweifel an seiner grundsätzlichen Zustimmung. In einem Schreiben wurde später sogar vermerkt, dass ein Konsens aus Salzburg nicht mehr nötig sei – da die Visitation die Notwendigkeit des Neubaus klar festgestellt habe.
Nun wandten sich Pfarrer und Pflegsverwalter an den Kurfürstlichen Geistlichen Rat in München. Sie baten feierlich um Bewilligung des Neubaus nach dem vorliegenden Entwurf und Finanzierungsplan. Das Schreiben schloss mit einer symbolischen Geste: Die Gemeinde verspreche, im Angesicht des Allerheiligsten Altars für das Seelenheil und die glückselige Regierung des Kurfürsten zu beten.
Die Weichen waren gestellt – und der Bau begann. Was mit einem eindringlich formulierten Brief und einer baufälligen Kirche begann, wurde zur Entstehung eines neuen geistlichen Zentrums. Die heutige Kirche von Vachendorf trägt diese Geschichte bis heute in ihren Mauern.
Quelle: Liebl Franz, Extrakt aus dem Bauakt Pfarrkirche
DOC 23 / Heimatarchiv Vachendorf