Der verlorene Pass von Geiselprechting
Es gibt Dinge, die verliert man einfach nicht. Den Haustürschlüssel. Oder die Schwiegermutter im Baumarkt. Ja und ganz sicher nicht seinen römischen Bürgerbrief aus massiver Bronze!
Aber genau das ist passiert. Der gute Cattaus, Sohn des Bardus, Ex-Soldat der römischen Armee, hat das Unmögliche geschafft: Er hat dummerweise seinen Pass verloren! Und das nicht irgendwo, sondern agratt in Geiselprechting.
Aber wie verliert man sowas denn?
Mei, die Möglichkeiten sind vielfältig. Vielleicht hat er’s einfach liegen lassen, nach einer feuchtfröhlichen Nacht mit den keltischen Nachbarn. Vielleicht hat er sich ja gedacht: „Ach geh, wer braucht denn schon Papiere? Ich wohn’ hier jetzt ja eh.“ Oder – und das ist gar nicht mal sooo unwahrscheinlich – vielleicht hat es ihm einer der ortsansässigen Kelten geklaut.
Weil mach mer uns amal nix vor: So ein römischer Bürgerbrief war Gold wert! Damit durfte man plötzlich Eigentum haben, steuerlich bevorzugt werden, und vor allem – man musste nicht mehr als Fußvolk in den Krieg ziehen. Ein echter Freifahrtschein für die feine Gesellschaft!
Man stelle sich also vor, wie ein pfiffiger keltischer Dorfbewohner das Ding findet und sich denkt:
„Wunderbar! Jetzt bin i Römer. Und die Steuerfreiheit nehm i natürlich aa glei mit.“
Aber Moment amal! So ein Diplom konnte man ja nicht einfach neu beantragen. Es gab ja keine römische Bürgerpass-Stelle in Vachendorf, wie heute mit so nette Bearbeiterinnen, wo man hingehen konnte mit einem freundlichen „Verwaltungsangestellte, ich hätt da ein Problem“.
Nein, nein. Weg war weg und verloren war verloren.
Und was machte der gute Cattaus dann? Ist er zu Kaiser Nero nach Rom gereist und hat gesagt:
„Du, Nero, ich hab meinen Pass in Geiselprechting versenkt. Kannst du mir ned einen neuen ausstellen, bittschön?“
Wahrscheinlich ned. Wahrscheinlicher ist halt, dass er sich irgendwann damit abgefunden hat. Vielleicht hat er sich selbst eingeredet, dass er eh keinen Römer-Bonus braucht, weil er ja hier seinen Hof, seine Familie und seinen Platz im Dorf hatte. Vielleicht hat er aber auch jede Nacht wach gelegen und sich schwarz geärgert, dass er jetzt wieder ganz normal Steuern zahlen muss, wie jeder andere Vachendorfer auch.
Und wer weiß, vielleicht ist er sogar bei jeder römischen Patroullien-Kontrolle nervös geworden, weil er nichts mehr ghabt hat, um seine Identität zu beweisen.
Vachendorfer des Jahres 64 n. Chr. – Ein sicherer Verlierer
Was klar ist: Mit so einer Nummer hätte Cattaus in der Vachendorfer Star-Wahl keine Chance gehabt.
Stellen wir uns mal vor, wie das damals lief. Während die Einheimischen noch überlegten, ob sie den Berechtigl (Sippenführer) oder doch den wohlhabenden Schweinezüchter als Oberhaupt wählen sollten, da kommt dann der Cattaus daher und sagt:
„Schauts her da, ich bin Römer! Ich bin Veteran! Ich hab Bürgerrechte!“
„Zeig her!“ – „Äh… ja, also… ich hatte da ein Diplom… irgendwo…“
„Aha. Und wo ist des jetzt?“ – „Gute Frage. Eventuell… äh… verlegt vielleicht.“
„Verloren?!“ – „Nein, nein! Nur… bloss nicht auffindbar.“
Tja. Wahl verloren. Keiner wählt einen, der nicht amal seine eigenen Papiere im Griff hat.
Und dann, 2000 Jahre später…
Jahrhunderte vergehen. Die Welt verändert sich. Die Römer verschwinden. Das Mittelalter zieht durch. Irgendwann da gibt’s plötzlich Vachendorf, Geiselprechting und Leute, die sich fragen, warum der Glasfaserausbau eigentlich länger dauert als wie die römische Invasion.
Und dann – 1842 – da findet der Baumann z’Geiselprechting eine verrostete Bronzetafel in der Erde und stellt fest:
„Moment mal… des is ja ein Reisepass!“
Cattaus’ Pass.
Der, den der verloren hatte.
Tja. Ein bisschen spät, oder? Jetzt könnte er sich seinen römischen Bürgerstatus endlich wiederholen. Aber wir bezweifeln natürlich, dass das in München bei der Archäologischen Staatssammlung, wo der Pass jetzt verstaubt, möglich ist.
Vielleicht könnten wir aber einen Antrag stellen – eine verspätete Nachregistrierung für Cattaus. „Bürgerrecht rückwirkend beantragen, Einreichung nach nur 1950 Jahren Verspätung.“
Das wär doch mal was für die römische Bürokratie! Vielleicht sollt’ mal einer fragen, drunten bei der Gemeinde.
Da schau her!