Stell dir vor, du sitzt in Vachendorf beim Wirt, bestellst dir eine Maß – und plötzlich setzt sich ein König zu dir. Kein lauter Herrscher, kein Politiker mit großen Reden, sondern ein Mann mit abwesendem Blick, als wäre er gerade aus einer anderen Welt aufgetaucht. Er schaut dich kurz an, nimmt einen Schluck Wasser und sagt leise: „Die Wirklichkeit ist mir nicht genug.“
Genau so einer ist Ludwig II. von Bayern gewesen. Ein König, der sich nicht für Politik interessiert hat, sondern für Kunst, Musik und vor allem für seine märchenhaften Schlösser. Ein Herrscher, der Bayern nicht mit Gesetzen geprägt hat – sondern mit Träumen aus Stein.
Biografische Daten
Geburtsdatum: 25. August 1845
Todesdatum: 13. Juni 1886
Vater: Maximilian II. von Bayern
Mutter: Marie von Preußen
Ehefrau: Keine
Regierungszeit als König: 1864–1886
Residenzen: München, Schloss Neuschwanstein, Schloss Linderhof, Schloss Herrenchiemsee
Der König, der Schlösser gebaut hat statt Politik zu machen
Ludwig II. hat den bayerischen Thron jung und unerfahren bestiegen. 1864, nach dem frühen Tod seines Vaters Maximilian II., hat er plötzlich regieren müssen – doch er hat wenig Interesse an Politik gehabt. Bayern ist damals zwischen Preußen und Österreich hin- und hergerissen gewesen, doch Ludwig hat sich lieber mit Opern von Richard Wagner als mit diplomatischen Verhandlungen beschäftigt.
1866 ist Bayern in den Krieg gegen Preußen gezogen – und hat verloren. Ludwig hat sich mit der neuen Realität nie abgefunden, dass Bayern nicht mehr unabhängig, sondern Teil des Deutschen Kaiserreichs unter preußischer Führung geworden ist. Anstatt sich in die Politik einzumischen, hat er sich zurückgezogen – in eine Welt, die er selbst erschaffen hat.
Er hat Schlösser gebaut, die heute weltberühmt sind: Neuschwanstein, Linderhof, Herrenchiemsee. Prachtvolle Bauwerke, inspiriert von Mittelalter-Romanen, französischen Märchenschlössern und der Musik Wagners. Er hat seine Nächte lieber in Traumwelten verbracht als am Hof in München.
Doch die Realität hat ihn eingeholt. Seine Bauprojekte haben Unsummen verschlungen, und die Regierung in München hat sich immer mehr Sorgen gemacht. Schließlich haben ihn seine Minister 1886 für geisteskrank erklärt und abgesetzt. Er ist auf Schloss Berg am Starnberger See gebracht worden – und nur wenige Tage später, am 13. Juni 1886, tot im See gefunden worden. Bis heute ist ungeklärt, ob es ein Unfall, ein Mord oder ein Selbstmord gewesen ist.
Ludwig II. hat als König versagt – doch als Märchenkönig lebt er bis heute weiter. Sein Neuschwanstein ist eine der berühmtesten Sehenswürdigkeiten der Welt, sein Mythos unsterblich. Kein bayerischer König ist so bekannt geblieben wie er. Vielleicht, weil er das gemacht hat, was kein Politiker je kann: Er hat sich eine Welt erschaffen, wie sie sein sollte – und nicht, wie sie wirklich war.