Ein Machtkampf zwischen Bayern und Salzburg
Im 13. Jahrhundert war der Chiemgau Schauplatz eines langwierigen Streits zwischen dem Herzogtum Bayern und dem Erzbistum Salzburg. Beide Seiten beanspruchten das Gebiet für sich – nicht nur aus territorialen, sondern vor allem aus wirtschaftlichen Gründen.
Das Erzbistum Salzburg war damals nicht nur eine geistliche, sondern auch eine politische Macht. Der Erzbischof verwaltete große Gebiete, besaß Klöster, Burgen und Ländereien und kontrollierte viele Bauernhöfe als Grundherr. Bayern wiederum wollte seinen Einfluss auf den Chiemgau ausdehnen, vor allem um den lukrativen Salzhandel zu kontrollieren.
Der Streit eskalierte in mehreren Phasen, bis schließlich mit den Erhartinger Verträgen von 1254 und 1275 eine langfristige Lösung gefunden wurde. Diese legten die Grenze zwischen Bayern und Salzburg fest und bestimmten, wer in welchen Gebieten das Sagen hatte.
Die Situation in Traunstein vor den Erhartinger Verträgen
Traunstein lag strategisch günstig an einer wichtigen Handelsroute, über die das Salz aus Reichenhall transportiert wurde. Die Stadt war lange Zeit unter salzburgischer Kontrolle, was bedeutete, dass die geistliche Oberhoheit beim Erzbischof von Salzburg lag, viele Bauern in der Region ihre Abgaben an Salzburg entrichteten und die Stadt ein wichtiger Umschlagplatz für Salz war, das nach Norden transportiert wurde.
Doch Bayern war bestrebt, die Kontrolle über diese wichtigen Verkehrswege zu übernehmen. Der bayerische Herzog wollte nicht nur die politische Hoheit über Traunstein erlangen, sondern vor allem das Recht, Zölle auf den Handel zu erheben.
Der Erhartinger Vertrag von 1254
Nach mehreren Auseinandersetzungen einigten sich Bayern und Salzburg 1254 auf einen ersten Vertrag in Erharting. Dieser legte folgende Regelungen fest:
• Traunstein fiel politisch an Bayern. Der bayerische Herzog erhielt die Gerichtshoheit und konnte Steuern und Zölle erheben.
• Salzburg behielt seine geistliche Oberhoheit. Der Erzbischof blieb weiterhin Kirchenoberhaupt und hatte Einfluss auf die Seelsorge und kirchliche Angelegenheiten.
• Die Grundherrschaft über viele Bauern blieb in salzburgischer Hand. Das bedeutete, dass Bauern, die auf salzburgischem Grund lebten, weiterhin Abgaben an Salzburg leisten mussten.
Bayern übernahm also die rechtliche Kontrolle, während Salzburg seine wirtschaftlichen und kirchlichen Rechte größtenteils behielt.
Die Auswirkungen für Traunstein
Mit der bayerischen Herrschaft über Traunstein veränderte sich die Stadt deutlich. Der bayerische Herzog richtete eine Verwaltung ein, die den Zoll und die Rechtsprechung kontrollierte. Die Handelswege wurden stärker an Bayern gebunden, wodurch das Erzbistum Salzburg einen Teil seiner Einnahmen verlor. Die Stadt wurde wirtschaftlich ausgebaut und entwickelte sich zu einem wichtigen Handelszentrum.
Trotzdem blieb Salzburg in vielen Bereichen präsent. Die meisten Bauern waren weiterhin salzburgische Grunduntertanen, und auch die kirchlichen Strukturen blieben erhalten.
Der zweite Erhartinger Vertrag von 1275
Trotz der Vereinbarungen von 1254 kam es weiterhin zu Streitigkeiten. Salzburg versuchte, seine Machtposition zurückzugewinnen, während Bayern weitere Gebiete sichern wollte. Daher wurde 1275 ein weiterer Vertrag in Erharting geschlossen.
• Bayern sicherte sich zusätzliche Gebiete im Chiemgau.
• Salzburg musste endgültig auf Traunstein und andere wichtige Orte verzichten.
• Die Grenze zwischen Bayern und Salzburg wurde endgültig festgelegt.
Für Salzburg bedeutete dies einen erheblichen Machtverlust, aber das Erzbistum konnte sich dennoch als wichtigster Grundherr in der Region behaupten.
Langfristige Folgen für die Region
Die Erhartinger Verträge hatten eine tiefgreifende Wirkung auf den Chiemgau.
Traunstein blieb dauerhaft bayerisch. Die Stadt entwickelte sich zu einem Zentrum des Handels und der Verwaltung. Salzburg verlor seine politische Kontrolle über weite Teile des Chiemgaus, blieb aber als Grundherr und Kirchenoberhaupt präsent. Die Grenze zwischen Bayern und Salzburg blieb über Jahrhunderte stabil.
Obwohl Bayern nun die Gerichtshoheit hatte, blieb Salzburg wirtschaftlich stark verwurzelt. Bauern mussten weiterhin Abgaben an Salzburg zahlen, und die kirchlichen Strukturen blieben bis zur Säkularisation im 19. Jahrhundert weitgehend erhalten.
Zusammenfassung
Die Erhartinger Verträge von 1254 und 1275 beendeten einen langjährigen Konflikt zwischen Bayern und Salzburg und schufen klare Machtverhältnisse. Während Bayern die politische Kontrolle über Traunstein und weitere Gebiete erlangte, konnte Salzburg seine kirchliche Oberhoheit und viele wirtschaftliche Rechte behalten.
Diese Mischung aus bayerischer Verwaltung und salzburgischem Grundbesitz prägte die Region über Jahrhunderte und macht deutlich, wie komplex die Herrschaftsstrukturen im Mittelalter waren.