Ja, es ist wieder Fastenzeit. Die einen lassen den Zucker weg, die anderen das Fleisch. Und dann gibt’s da natürlich noch die Helden unserer Zeit: Menschen, die sich trauen, eine Woche lang ihr Handy nur noch vier Stunden am Tag zu benutzen. Willkommen beim Medienfasten – der spirituellen Selbstoptimierung für Fortgeschrittene, powered by Instagram, Podcast, Newsletter und TikTok-Detox-Challenge.
Digital Detox – aber bitte digital
Natürlich läuft das Medienfasten nicht analog ab. Nein, wer heute fastet, dokumentiert das sauber. Auf YouTube. In Echtzeit. Mit Kommentarspalte. Da werden Handys in Schubladen gelegt – gefilmt aus fünf Perspektiven. Es wird geschwiegen – in der Story mit Untertiteln. Und es wird meditiert – mit der App „SilentMe Pro“, die dir jeden zweiten Atemzug zählt und täglich eine Push-Nachricht schickt: „Du bist wertvoll – bleib offline!“ Ironie? Fehlanzeige. Das ist Selbstfürsorge 4.0.
Medienfasten ist das neue Influencing
Noch besser sind die, die über Medienfasten schreiben – in Kolumnen. Für Medien. Die wiederum davon leben, dass möglichst viele Leute diesen Artikel lesen, teilen, kommentieren. Am besten mit „Ich bin auch dabei!“-Reaktionen von Menschen, die gleichzeitig fünf Onlinekurse zur Achtsamkeit buchen. Medienfasten ist nicht der Verzicht auf Medien. Es ist ein Ritual, das von Medien erschaffen wurde, um den Menschen zu suggerieren, dass sie sich befreien könnten – mit dem richtigen Coaching-Programm für nur 249 Euro.
Wenn der Detox-Boom auf den Realitätsschock trifft
Nach dem dritten Tag ohne Insta merken viele Fastende: Da draußen ist ja gar nix los. Die Welt dreht sich einfach weiter, ganz ohne Medien! Die Sonne scheint einfach, die Leute schauen einem tatsächlich ins Gesicht – und plötzlich hat man Zeit! Hilfe, was tun? Gespräche? Spaziergänge? Gedanken? Und das ungefiltert und unkommentiert. Ohne Likes und Links. Und das ist dann der eigentliche Schock. Die Rückfallquote ist hoch. Schon am fünften Tag wird gegoogelt: „Ist Lesen von E-Mails auch Mediennutzung?“ – und „Gilt Spotify auch, wenn man nur Mozart hört?“
Fazit: Fasten, bis der Akku leer ist
Medienfasten ist wie alkoholfreier Schnaps – gut gemeint, aber irgendwie sinnlos. Wer wirklich auf Medien verzichten will, müsste still sein. Schweigen. Nicht posten, nicht liken, nicht darüber schreiben. Und vor allem: nicht damit angeben. Aber das geht halt nicht. Weil niemand mitkriegt, dass man gerade richtig bewusst lebt. Und was bringt das dann bitte?
Da schau her.
Am Ende bleibt der Gedanke: Vielleicht bräuchte es gar kein Medienfasten – sondern einfach bloss ein bisserl mehr Hirn.