Die Neuzeit und das Anthropozän – Erwärmung, Wandel, Herausforderung (ab 1850)

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1. Einleitung

Mit dem Ende der Kleinen Eiszeit um 1850 begann eine Phase anhaltender Erwärmung, deren Ursachen zunächst natürlichen Ursprungs waren – doch zunehmend tritt der Mensch als klimawirksamer Faktor in Erscheinung. Die Moderne bringt Messreihen, Modelle und globale Netzwerke – aber auch neue Unsicherheiten. Im Chiemgau sind die Spuren dieses Wandels heute ebenso sichtbar wie die Herausforderungen der Zukunft.

2. Gletscher, Pegel, Pflanzen – Rückzug des Eises

Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts begannen sich die Gletscher der Ostalpen rasch zurückzuziehen. Parallel stiegen:

  • die mittleren Jahrestemperaturen (besonders ab 1980)
  • die Vegetationsgrenzen (Alm- und Waldgrenze)
  • der Auftakt der Blütezeit (um bis zu 3 Wochen früher)

Gletscherstände, historische Fotos (z. B. Reichenhaller Raum) und Pegelaufzeichnungen belegen den beschleunigten Rückgang.

3. Landwirtschaftlicher Wandel im Chiemgau

Die bäuerliche Praxis passte sich an:

  • Umstellung auf ertragreichere Sorten (Mais, moderne Gräser)
  • Zunahme von Futterbau und Viehhaltung
  • Verschwinden traditioneller Kulturen wie Buchweizen oder Flachs

Zugleich erhöhte sich der Bewässerungsbedarf, während extreme Wetterlagen (Spätfrost, Starkregen) unberechenbarer wurden.

4. Anthropozän – Der Mensch als Klimafaktor

Seit etwa 1950 sprechen Geowissenschaften vom möglichen Beginn des Anthropozäns – eines Zeitalters, in dem der Mensch:

  • die Atmosphäre messbar verändert (CO₂, Methan)
  • ökologische Kreisläufe (Stickstoff, Wasser) stört
  • globale Klima- und Wettermuster beeinflusst

Auch in der Heimatforschung zeigt sich: Ortsgeschichte ist nicht mehr nur rückwärtsgewandt, sondern betrifft auch die Zukunft.

5. Klimabewusstsein und Regionalgeschichte

Der Chiemgau zeigt:

  • zunehmendes öffentliches Interesse an Wetterextremen (Chronik-Einträge, Presse)
  • Wiederentdeckung alter Klima-Anpassungen (z. B. Eiskeller, Streuwiesen)
  • Verzahnung von Naturschutz, Landwirtschaft und Forschung

Das Verstehen vergangener Klimadynamik kann helfen, Resilienz für kommende Veränderungen zu entwickeln.

6. Fazit

Die neuzeitliche Erwärmung stellt einen tiefgreifenden Einschnitt in der Klimageschichte dar. Sie beendet das klimatische Auf und Ab der letzten 10.000 Jahre – und eröffnet ein neues Kapitel, in dem Mensch und Klima untrennbar verwoben sind. Die Heimatforschung des 21. Jahrhunderts steht vor der Aufgabe, auch das zukünftige Klima-Gedächtnis zu dokumentieren.


Literatur und Quellen

  • H. von Storch / N. Franke: Klima: Das Experiment mit dem Planeten, München 2010.
  • J. Sirocko (Hg.): Klima und Kulturgeschichte, Stuttgart 2012.
  • Berichte des DWD (Deutscher Wetterdienst): Messreihen Südostbayern
  • PAGES 2k Consortium: Rekonstruktion globaler Temperaturentwicklung seit 1850, 2013.
  • Regionale Gletscherforschung Berchtesgadener Land
  • Klimawandel in Österreich
Zur Übersicht:
Klimageschichte des Chiemgaus

Reihe:
1. Vom Eis zum Acker (Neolithikum–Bronzezeit)
2. Eisenzeit & Römische Warmzeit
3. Kälte & Umbruch (Spätantike–Frühmittelalter)
4. Mittelalterliche Warmzeit
5. Kleine Eiszeit
6. Neuzeit & Anthropozän