Der Mammutzahn von Vachendorf-Erlstätt – Ein paläontologischer Zeitzeuge aus dem Spätpleistozän

Am 3. Juni 1975 wurde bei Kiesabbauarbeiten in der Grube der Firma Geisreiter im Trocken­tal von Vachendorf-Erlstätt (Lkr. Traunstein, Oberbayern) ein bemerkenswerter paläontologischer Fund gemacht: Ein Mammut-Stoßzahn, eingebettet in spätpleistozäne Schotter- und Sandschichten, konnte in rund sieben Metern Tiefe geborgen werden. Der Fund wurde durch das aufmerksame Verhalten von Baggerführer Johann Mitterer und Aufseher Alois Siglreitmaier ermöglicht und in Zusammenarbeit mit dem damaligen Kreisheimatpfleger Franz Ebert gesichert und dokumentiert.

Bei dem Stoßzahn handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um ein Fragment von Mammuthus primigenius (Wollhaarmammut), dessen Lebensraum im Jungpleistozän weite Teile Nord-, Mittel- und Osteuropas umfasste. Die Gesamt­länge des rekonstruierbaren Zahns betrug etwa 1,6 m. Die Erhaltung in mehreren Bruchstücken spricht für eine postmortale Umlagerung des Objekts, möglicherweise infolge fluviatiler Prozesse.

Stratigraphische und sedimentologische Einordnung

Die Lagerstätte liegt im Bereich des eiszeitlich geprägten Inzeller Beckens, einem ehemaligen östlichen Abflussgebiet des Chiemseegletschers. Die stratigraphischen Verhältnisse der Fundstelle deuten auf eine spätglaziale Schotterfazies hin, wie sie für die würmzeitlichen Schmelzwassersysteme des Alpenvorlandes typisch ist. Die Kiesgrube zeigt Wechsellagerungen von grobem Schotter mit feinkörnigen Sedimenten (Sand, Feinschluff), was auf eine periodisch schwankende Abflussdynamik mit Phasen hoher und niedriger Transportenergie hinweist.

Die Einbettung des Stoßzahns in eine Schichtfolge mit deutlichem Schichtungskontrast lässt darauf schließen, dass das Tier oder zumindest einzelne Überreste in einen rezenten Abflussbereich eingetragen und dort relativ schnell sedimentär überprägt wurden. Eine primäre Fundlage im Sinn eines intakten Skelettfunds liegt nicht vor; es handelt sich um einen isolierten Sekundärfund.

Taphonomische Bewertung

Die taphonomische Situation spricht für eine postmortale Verlagerung des Stoßzahns. Wahrscheinlich wurde das Tier nicht am Ort der heutigen Fundstelle erlegt oder verendet, sondern stromaufwärts zersetzt und durch fluviatile Prozesse fragmentiert und transportiert. Die Lokalisierung in sieben Metern Tiefe innerhalb einer Rinne oder Senke unterstreicht die Bedeutung spätglazialer Schmelzwassersysteme als Umlagerungsräume für pleistozäne Faunenreste.

Es ist nicht auszuschließen, dass der Stoßzahn ursprünglich im Bereich eines Schmelzwasserrandsees oder eines proglazialen Flusssystems sedimentiert wurde. Hinweise auf anthropogene Einwirkung (z. B. Jagd, Werkzeugspuren) fehlen, was einen natürlichen Tod und postmortale Umlagerung nahelegt.

Bedeutung des Fundes

Der Fund stellt nach aktuellem Forschungsstand einen der wenigen dokumentierten Nachweise von Mammuthus primigenius im südlichen Chiemgau dar. Während andere Regionen Bayerns (z. B. das Donau- oder Regnitzbecken) zahlreiche paläontologische Funde aus dem Jungpleistozän aufweisen, ist die Funddichte im Chiemgau vergleichsweise gering. Dies liegt nicht zuletzt an der Dominanz glazialer Sedimentdecken und der geringen Zahl systematischer paläontologischer Grabungen in dieser Region.

Als museal konserviertes Exemplar wurde der Stoßzahn im Anschluss an die Präparation durch das Paläontologische Institut der Universität München dem Heimathaus Traunstein übergeben. Dort dient er seither nicht nur als Ausstellungsobjekt, sondern auch als didaktisches Bindeglied zwischen Heimatgeschichte und Quartärgeologie.

Fazit

Der Mammutfund von Vachendorf-Erlstätt ist ein bedeutender Beleg für die spätpleistozäne Fauna im nordalpinen Vorland und dokumentiert die geomorphologischen Prozesse der letzten Eiszeitphase im Bereich des Chiemseegletschers. Er verdeutlicht zudem, wie wichtig die sorgfältige Dokumentation von Zufallsfunden im Rahmen wirtschaftlicher Eingriffe in das Erdreich für die Wissenschaft sein kann. Weitere interdisziplinäre Untersuchungen (z. B. mikroskopische Sedimentanalysen, Isotopie, Radiokohlenstoffdatierungen benachbarter organischer Materialien) könnten helfen, das genaue Alter und die Herkunft des Fundstücks noch präziser einzuordnen.