Der Zauberer-Jackl – Jagd auf einen Schatten

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Im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts bricht über das Erzstift Salzburg ein Sturm aus, der noch lange in der Erinnerung des Landes nachhallt: Der sogenannte Zauberer-Jackl-Prozess, ein Hexenverfolgungswahn, der mehr als 130 Menschen das Leben kosten sollte. Viele davon waren Kinder und Jugendliche. Und die Hauptfigur dieser Verfolgung war einer, den niemand je sicher gefasst hat – Jakob Koller alias „Zauberer-Jackl“.

Eine Mutter unter Verdacht

Alles beginnt im Winter 1675. In Golling wird eine Frau verhaftet: Barbara Koller, genannt die „Schinterbäberl“. Sie stammt aus einer Abdeckerdynastie, eine Außenseiterin in der dörflichen Gesellschaft, der man vieles zutraut. Ihr Sohn Jakob, so erklärt sie bei den ersten Verhören, sei mit einem Trupp junger Burschen unterwegs, verwandle sich in Tiere, mache sich unsichtbar und lehre andere Zauberei. Der Hofrat horcht auf. Barbara gesteht, und mit ihrem Geständnis beginnt die Geschichte des Zauberer-Jackl.

Ein Jäger ohne Beute

Die Behörden setzen alles daran, diesen Jackl zu fangen. Seine Beschreibung wird in allen Land- und Pfleggerichten ausgehängt. Der Erzbischof selbst setzt eine hohe „Thalia“, eine Prämie, aus: Erst 20, dann 50, schließlich 100 Reichstaler für seine Ergreifung. Später sogar 600 für seine lebendige Auslieferung.

Immer wieder gibt es Sichtungen. Mal sei er in Hallein, mal in Golling, dann in St. Johann, in Mauterndorf oder Abtenau. Immer hat er sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht. Oder, wie es die Leute erzählen, sich unsichtbar gemacht. Er trage ein schwarzes Käppl, das ihn verschwinden lasse. Man berichtet, dass er sich in Tiere verwandle: in Hunde, Ziegen, Katzen, manchmal sogar in einen Stein oder ein Stück Holz. Seine Kleidung, so heißt es, wechsle ständig. Mal trage er einen grünen Hut, dann einen Degen, dann wieder sei er wie ein armer Bettelknabe gekleidet.

Doch so sehr sich die Behörden auch bemühen – Jackl bleibt ungreifbar. Ein Phantom. Und mit jeder erfolglosen Suchaktion wächst sein Mythos.

Die Mär von der Zauberei

Was man dem Zauberer-Jackl zuschreibt, ist eine Sammlung von allem, was in dieser Zeit an Angst, Aberglauben und Volksfantasie kursiert. Er zaubere Mäuse, verwandle sich in Feuerhunde, schleiche sich in Stuben, trage Zaubersalben auf – alles, was in dunklen Nächten erzählt wird, wird ihm zugeschrieben.

Viele der Geständnisse stammen von Jugendlichen. Man habe ihm gehorcht, so sagen sie, weil er der Meister war. Man habe von ihm das Unsichtbarmachen gelernt, oder das Tierverwandeln, oder wie man mit dem Teufel spricht. Salben, Pulver, geheime Worte – all das sei im Spiel gewesen. Und wenn jemand zögert, dann wird eben nachgeholfen. Mit Folter, mit Drohungen.

Was dabei entsteht, ist ein Bild, das mehr mit Furcht zu tun hat als mit Tatsachen. Die Bevölkerung glaubt an den Spuk – und die Behörden glauben der Bevölkerung.

Der wahre Schrecken

Der Prozess gegen Jackl ist aber vor allem ein Prozess gegen die, die man seiner Bande zurechnet. Kinder und Jugendliche, arme Taglöhner, Vaganten, Bettlerbuben. Wer einmal mit Jackl unterwegs gewesen sein soll, gerät in Verdacht. Und wer verdächtigt wird, wird verhört. Wer verhört wird, gesteht. Und wer gesteht, nennt Namen.

So entstehen Listen. So entstehen Prozesse. Und so entstehen Galgen.

Es ist ein Drama mit vielen Opfern. Vor allem unter den Jungen. Viele sterben, ohne je verstanden zu haben, warum sie angeklagt wurden. Einige sterben, weil sie das Falsche gesagt haben. Manche, weil sie geschwiegen haben. Der „Jugendverführer“, wie der Jackl bald genannt wird, wird zur Projektionsfläche für alles, was als Gefahr empfunden wird: Aberglaube, Hexerei, Kriminalität, Teufelskult.

Und: Er ist nie gefasst worden.

Ein Ende im Nebel

1679 – die Verfolgungswelle ebbt ab. Die Kommissionen sind erschöpft, die Geständnisse verworren, der Aufwand enorm. 1681 flammt ein letztes Mal der Verfolgungswahn auf. Noch einmal wird ein Bursche in Werfen gesichtet. Noch einmal gibt es einen Bericht. Noch einmal wird eine Visitation angeordnet. Doch wieder verläuft alles im Sande.

Dann ist Stille.

Was mit dem Zauberer-Jackl geschah, weiß niemand. Manche sagen, er sei über die Alpen geflohen. Andere meinen, er sei längst tot gewesen, als die Jagd überhaupt begann. Wieder andere glauben, er habe sich im Gebirge verborgen und sei dort gestorben.

In Salzburg lebt seine Geschichte weiter – als Sage, als Legende, als warnendes Echo aus einer dunklen Zeit.

Juristisch zuständig war:

• Der Hofrat des Erzstifts Salzburg, unter Leitung des Erzbischofs Max Gandolph von Kuenburg (Amtszeit: 1668–1687), war die zentrale Entscheidungsinstanz.

• Der Hofkanzler Johann Theodor Sprenger unterzeichnete viele der Generalbefehle.

• Die Kommissionen vor Ort (etwa in Werfen, Golling, Hallein etc.) führten die konkreten Verhöre, Inquisitionen und Prozesshandlungen durch.

• Pfleggerichte und Landgerichte wie das Gericht in Werfen oder das Pfleggericht Golling waren ausführende Organe der Strafverfolgung.


Die juristische Verantwortung lag somit:

1. In der höchsten geistlich-weltlichen Gewalt des Landes: beim Erzbischof

Der Erzbischof war Landesherr, geistliches Oberhaupt und weltlicher Regent. In seiner Person vereinigten sich politische, religiöse und rechtliche Macht.

2. Beim Hofrat als oberster Gerichtsbarkeit im Land

Der Hofrat verfügte über umfassende Entscheidungsgewalt in Strafsachen. Er ordnete Inquisitionen an, stellte Haftbefehle aus, kommunizierte mit Nachbargerichten und veranlasste sogar Todesurteile.

3. Bei den lokalen Kommissionen und Pflegern

Diese führten die oft grausamen Verhöre durch, setzten die Folter an, protokollierten Geständnisse und meldeten ihre Ergebnisse an den Hofrat. Einige dieser Pfleger (wie z. B. zu Werfen) spielten eine besonders aktive Rolle und meldeten regelmäßig angebliche Sichtungen oder Aussagen.


Politisch-ideologisch verantwortlich:

• Erzbischof Max Gandolph glaubte an den Hexenglauben seiner Zeit. Für ihn war der Zauberer-Jackl ein gefährlicher „Jugendverführer“, ein Verkörperer des Bösen, dessen Beseitigung eine Frage der religiösen und moralischen Reinheit war.

• Der Hexenglaube wurde nicht nur geduldet, sondern politisch gestützt: Die Generalbefehle und die hohe „Thalia“ (Prämie) zeugen davon, dass man systematisch versuchte, die Bevölkerung zu motivieren, Jackl zu fangen – oder zumindest zu denunzieren.

Quellen

Primärquellen

Koller, Heinrich (Hrsg.): Hexen und Zauberer vor dem Salzburger Strafgericht. Quellen zur Geschichte der Zauberei im Erzstift Salzburg. In: Mitteilungen der Gesellschaft für Salzburger Landeskunde, 95 (1955), S. 157–203.

Salzburger Landesarchiv: Konsistorialprotokolle 1675–1681, Abteilung Strafgerichtsbarkeit.

Wissenschaftliche Literatur

Höfler, Günther: Der Zauberer Jackl. Hexenverfolgung und Kinderprozesse in Salzburg. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1992.

Decker, Rainer: Hexenwahn. Geschichte einer Verfolgung. München: C.H. Beck, 2004.

Behringer, Wolfgang: Hexenverfolgung in Bayern: Ein Überblick. In: Historisches Jahrbuch, Bd. 106 (1986), S. 293–313.

Märtl, Claudia: Hexenprozesse und Herrschaft in der Frühen Neuzeit. In: Zeitschrift für historische Forschung, 33. Jg. (2006), S. 209–232.

Digitale Ressourcen

Salzburg Museum (Virtuelles Museum): Sonderausstellung „Zauberer Jackl – Kinder in Angst und Flammen“. www.salzburgmuseum.at

Österreichische Mediathek: Audiobeiträge und Zeitdokumente zum Thema „Zauberer Jackl“. www.mediathek.at