„Trefflich gezeichnet, aber die Überraschung erwartet Euch drinnen.“



„Grabenstätt, Pfarrei St. Maximilian, 1102 Seelen, urkundlich mit der St. Johanneskirche im 10. Jahrhundert genannt. St. Maximilian 1435 erbaut, 1834 beim Dorfbrande in Asche gelegt und in jetziger Gestalt neu erbaut. Vom Jahre 963 bis 1080 kommen die Grafen und die Grafschaft Grabenstätt zum Vorschein.“
(Dekanat Traunstein 21 – Markus Schreiber, ca. 1910)
Ein paar einleitende Gedanken
Als der Maxl 1910 nach Grabenstätt gekommen ist, da hat’s hier noch Fischer gegeben. Vielleicht hat er sich eine Chiemsee-Renke geholt, frisch geräuchert – und dazu beim Wirt eine Maß Bier. Dann hat er sich hingesetzt, wahrscheinlich leicht schräg auf der Bank, damit er die Kirche gut im Blick hat. Und dann hat er gezeichnet.
Grabenstätt ist ein Ort mit Vergangenheit. Römerzeit, Grafengeschichten – alles dabei. Wer’s heute genauer wissen will, geht in die Touristinfo, da gibt’s ein kleines Museum. Damals aber hat’s gereicht, wenn man sich umg’schaut hat. Der Maxl hat das getan – und zwar gründlich.
Wie die Kirche von außen wirkt
Mitten im Ort, aber kein bisschen zurückhaltend: Die Kirche von Grabenstätt steht da wie ein Bauwerk mit Meinung. Keine verspielten Giebel, kein Zierrat – stattdessen Ziegel, Stein, Haltung. Die Westfassade? Ein Stück Bruchstein, roh und unverputzt. Der Turm aus der Spätgotik – noch da, aber brav eingepasst.
An den Seiten dann verputzter Ziegel in Ocker, fein gegliedert, mit sichtbaren Rundbögen aus rotem Ziegel. Es schaut aus, als hätte jemand sehr genau gewusst, was er da tut. Und das stimmt ja auch: Der Architekt hieß Gottfried von Neureuther und war, wie man sagt, von höchstem Ansehen. Wer den Bau anschaut, glaubt’s sofort.
Und der Maxl? Der hat genau diesen Blick festgehalten: keine Schnörkel, kein Pathos – nur die Haltung. Wie einer, der verstanden hat, dass Würde manchmal einfach nur Ziegel braucht.
Und drinnen?
Und dann kommt sie – die Überraschung. Wer durch das Portal tritt, steht plötzlich in einem Raum, der mit dem Äußeren kaum etwas zu tun hat.
Es wird dunkel. Die Fenster geben nicht viel Licht, aber sie geben Richtung. Die Wände sind glatt, die Formen streng – alles gehorcht dem Würfelprinzip. Fast quadratischer Grundriss, flache Kassettendecke, klare Linien. Und dann diese Bögen: fein gegliedert, rhythmisch gesetzt, getragen von kantigen Säulen mit würfelförmigen Kapitellen. Das wirkt – man traut sich kaum, es zu sagen – fast byzantinisch.
An den Wänden: die Gemälde von Max Fürst. Wand an Wand, Szene an Szene – ein biblisches Bilderbuch mit Goldrand. In Kombination mit der Architektur entsteht etwas, das man hier nicht erwartet hätte. Kein Barock, kein Kitsch, kein Pathos – sondern ein fast meditativ wirkender Raum, ungewöhnlich, konzentriert, eigenständig.
Wer das betritt, bleibt stehen. Und wer hinschaut, bleibt hängen.
Die Würfel sind gefallen
Der Maxl ist durch den Ort gegangen, wahrscheinlich mit dem Skizzenbuch unter’m Arm. Er hat den Turm gesehen – und dann diesen Körper, diesen Würfel von Kirche.
„Wenig Aufputz, aber viel Haltung“, hat er sich gedacht.
Und dann ist er reingegangen. Natürlich ist er reingegangen. Und drinnen hat er kurz den Bleistift sinken lassen. Denn was da auf ihn gewartet hat, war nicht nur eine Kirche – es war ein Raum, der Haltung hat.
Die klaren Linien, die ruhige Decke, die Bögen, die fast byzantinisch wirken. Und dazu die Bilder von Max Fürst, die den Raum nicht überladen, sondern begleiten – wie eine leise Litanei. Der Maxl hat das alles gesehen. Und er hat’s verstanden. Vielleicht hat er’s nicht gezeichnet. Aber er hat’s mitgenommen.
Brotzeit gefällig?
In Grabenstätt sitzt man gern am Dorfplatz – dort gibt’s ein Café, wo man sich stärken kann. Eine Wirtschaft ist auch da, mit allem, was dazugehört.
Nur eines gibt’s nicht mehr: Fischer. Und damit leider auch keine frische, geräucherte Renke. Die Zeiten haben sich geändert – aber hungrig bleibt hier trotzdem keiner sitzen.
Ein Gedanke zum Mitnehmen
„Was sich nicht zeichnen lässt, bleibt manchmal am tiefsten hängen.“