Taten des heiligen Hrodbertus, des Bekenners
Es handelt sich um den ältesten Text, der Rupertus’ Leben beschreibt.
Die älteste erhaltene Abschrift der Gesta sancti Hrodberti wird heute in der Universitätsbibliothek Graz aufbewahrt
- Signatur: Codex 326, fol. 145r–147v
- Datierung der Handschrift: 12. Jahrhundert
- Provenienz: Wahrscheinlich aus einem Salzburger Skriptorium (eventuell St. Peter oder Nonnberg)
Besonderheiten:
Die Abschrift wurde erst im 19. Jahrhundert von Historikern wiederentdeckt – insbesondere durch Wilhelm Wattenbach, der sie 1875 erstmals in den Monumenta Germaniae Historica (MGH, Scriptores rerum Merovingicorum VI) edierte.Die Handschrift stammt aus dem 12. Jahrhundert und wurde von einem anonymen Autor verfasst. Vermutlich einem Mönch aus Salzburg. Es wird weiter vermutet, dass dieser Mönch eine ältere, heute verschollene Handschrift kopierte. Dies ergibt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit aus den folgenden Tatsachen:
Sprachliche und stilistische Merkmale
- Der Stil der Gesta sancti Hrodberti ist typisch für karolingische Hagiographie des 9. Jahrhunderts:
- keine gereimten Passagen oder rhythmische Perioden wie in Viten des 12. Jh.;
- keine hochmittelalterlichen Begriffe, Namen oder Formeln;
- relativ schlichtes Latein, ohne die klassizistische Rhetorik späterer Viten.
- Vergleicht man den Text mit eindeutig karolingischen Hagiographien (z. B. von Otfried von Weißenburg oder Alkuin), ergeben sich klare Parallelen in Aufbau, Motivwahl und Duktus.
Übereinstimmungen mit älteren Quellen
- Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum (ca. 870) enthält Passagen, die inhaltlich und sprachlich sehr eng an die Gesta anschließen.
- Da die Conversio sicher im 9. Jh. entstand und Passagen enthält, die später wortgleich in der Gesta erscheinen, muss es bereits im 9. Jh. eine Vorlage der Gesta gegeben haben, aus der beide Texte schöpfen oder die von der Conversio übernommen wurde.
- Auch die Breves Notitiae (um 800) setzen eine ähnliche Rupert-Tradition voraus, die mit der Gesta übereinstimmt – dies legt einen gemeinsamen Ursprung nahe.
Fehlen hochmittelalterlicher Topoi
- Die Gesta enthält keine Wunderberichte, keine Märtyrerlegende, keine Visionen oder metaphorisch ausgeschmückte Tugendkataloge – alles Elemente, die für Heiligenviten des 11. und 12. Jahrhunderts typisch wären.
- Das legt nahe, dass der Text nicht in dieser Zeit entstanden, sondern aus einer früheren, sachlicheren Phase der Hagiographie stammt.
Forschungskonsens
Die einschlägige Fachliteratur (z. B. Franz Ortner, Walter Pohl, Hans-Joachim Reuter, Wilhelm Wattenbach) geht übereinstimmend davon aus, dass die Gesta auf eine Vorlage aus der Zeit um 800 zurückgeht, möglicherweise sogar auf eine von Bischof Virgil († 784) oder dessen Umfeld verfasste Notiz oder Lebensbeschreibung.
Die Gesta ist Teil eines Sammelcodex, der mehrere Heiligenviten und liturgische Texte enthält.
Die folgende Übersetzung wurde mit Hilfe von ChatGPT 4.o erstellt, auf Basis der lateinischen Version in der MGH.
(1) Zur Zeit des Königs Hiltiperht von den Franken, also im zweiten Jahr seiner Regierung, war der heilige und fromme Bekenner Christi Hrodbertus in der Stadt Worms Bischof, der aus adligem, ja königlichem Geschlecht der Franken stammte, jedoch im Glauben edler und durch Frömmigkeit ausgezeichnet war.
(2) Er war nämlich ein Mann, der in vollkommener Güte schlicht, klug und sanftmütig war, wahrhaftig in seiner Rede, gerecht im Urteil, umsichtig im Rat, tatkräftig im Handeln, hervorstechend in der Liebe und in der Gesamtheit seiner vorbildlichen Sitten – sodass sehr viele sich seiner hochheiligen Lehre anschlossen und von ihm die Lehren des ewigen Heils empfingen.
(3) Und da der Ruf seiner heiligen Lebensführung weit und breit bekannt wurde, gelangte er zur Kenntnis eines gewissen Herzogs der Region Baiern, mit Namen Theoto. Dieser bemühte sich – so gut er konnte – den genannten Mann Gottes mit inständigem Gebet durch seine Gesandten darum zu bitten, die Provinz mit seiner hochheiligen Lehre zu besuchen. Daraufhin – vom göttlichen Liebesverlangen ergriffen – stimmte der Verkünder der Wahrheit zu, sandte zuerst seine Gesandten aus, und kam schließlich selbst, um die Herde Christi für sich zu gewinnen.
(4) Als der genannte Herzog dies hörte, wurde er von großer Freude erfüllt und ging ihm mit seinen Begleitern entgegen. Er empfing den heiligen Mann und evangelischen Lehrer mit aller Ehre und Würde – wie es höchst angemessen war – in der Stadt Regensburg. Der Mann Gottes begann sogleich, ihn zur christlichen Lebensweise zu ermahnen und ihn in der katholischen Lehre zu unterweisen. Und er bekehrte ihn selbst wie auch viele andere Edle seines Volkes zur wahren Lehre Christi und stärkte sie im heiligen Glauben.
(5) Der erwähnte Herzog gewährte dem heiligen Mann daher die Erlaubnis, überall dort in jener Provinz, wo es ihm und seinen Begleitern beliebte, einen passenden Ort zur Gründung von Kirchen zu wählen und sich dort niederzulassen. Da begann der Mann Gottes, auch Wohnstätten zu errichten, die für das Werk der Kirche passend waren. Dann begab sich der genannte Mann Gottes – nachdem er die Erlaubnis erhalten hatte – auf dem Lauf der Donau schiffreisend auf den Weg, und erreichte schließlich die Stadt Lavoriacum (wohl Lauingen). Dort predigte er das Wort der Lehre des Lebens und heilte viele Kranke, die an verschiedenen Leiden litten, durch Gebet – durch die Kraft des Herrn.
(6) Dann setzte er, nachdem er weitergezogen war, seinen Weg fort und gelangte zu einem gewissen See, der „Walarier“ genannt wird. Dort errichtete und weihte er eine Kirche zu Ehren des heiligen Petrus, des Fürsten der Apostel. Der bereits erwähnte Herzog – der dort oft genannt wird – übergab ihm zunächst einige Besitzungen in der Umgebung. Später jedoch gelangte die Nachricht davon bis zum heiligen Papst.
(7) Dem heiligen Hrodbert wurde nämlich berichtet, dass es einen Ort am Fluss Ivarus (heutige Isar) gäbe, einst genannt Iuvavum – ein Ort, der zur Zeit der Römer schöne Wohnhäuser gehabt hatte, die aber zu jener Zeit alle verfallen und vom Wald überwuchert waren.
Als der Mann Gottes dies hörte, und sich selbst ein Bild davon machen wollte, was dort an Wahrheit zu finden sei, begann er – von göttlicher Gnade geleitet und zum Seelenheil der Gläubigen – den Herzog Theoto zu bitten, ihm die Macht zu verleihen, diesen Ort zu reinigen und dort das Kirchliche zu ordnen, wie es ihm gefiel. Der Herzog willigte ein und übertrug ihm in der Länge und Breite zwei Leugen Land zur Nutzung für die heilige Kirche Gottes.
(8) Da begann der Mann Gottes, diesen Ort zu erneuern, baute zunächst eine schöne Kirche zu Ehren des heiligen Petrus, des Fürsten der Apostel, und dann ein Kloster mit Wohnräumen für die zugehörigen Kleriker. Alles richtete er in bester Ordnung ein.
Später, nachdem er einen Priester als Vorsteher bestimmt hatte, ließ er dort täglich den Gottesdienst nach festgelegter Ordnung feiern. Der heilige Mann Gottes, Hrodbertus, wünschte, den Ort zu erweitern und kaufte von dem genannten Herzog einen Fiskalbesitz namens „Pitingon“ für 1000 Solidi aus Gold und Silber. Und so begannen, mit Gottes Hilfe, durch Schenkungen von Königen oder Herzögen oder aus der Frömmigkeit der Gläubigen, die Besitzungen des Ortes zu wachsen.
(9) Da wünschte der heilige Priester des Herrn, Hrodbertus, einige Gefährten zur Lehre der evangelischen Wahrheit zu gewinnen und kehrte in seine Heimat zurück. Dem Vorbild des höchsten Schöpfers folgend, kam er erneut mit zwölf Jüngern und führte mit sich eine Jungfrau Christi namens Erindrudis, die er in der oberen Burg der Iuvavensier (also Salzburg) ansiedelte. Dort sammelte er eine Gemeinschaft heiliger Nonnen und ordnete ihr Leben vernunftgemäß, wie es der kanonische Stand verlangt, alles wohl geordnet einrichtend. Und an jenem Ort pflegte der Erlöser der Welt viele Wohltaten zu erweisen zum Lob seines Namens, wie er es bei seinen Gläubigen zu tun pflegt.
(10) Unterdessen geschah es, als der letzte Tag herannahte, dass jene heilige Seele durch die Hände der heiligen Erzengel vor das Angesicht des allmächtigen Gottes getragen wurde. Einigen auserwählten Männern erschienen Knaben in herrlichem Gewand, gleichsam für eine Messefeier bereit, und es wurden Chöre gehört, die Psalmen sangen. Und so wurde jene heilige Seele vom Leib gelöst am Tag der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus.
Später wurde der hochheilige Leib des Verstorbenen mit feierlichen Gesängen und Lobpreisungen vom geistlichen Kollegium ehrenvoll zur Bestattung übergeben, wie es höchst würdig war.
An diesem Ort begannen viele Wunder und glänzende Zeichen aufzublühen: Viele Kranke wurden geheilt, Blinde erhielten ihr Augenlicht, Stumme die Sprache, Taube das Gehör, Lahme gingen wieder – alles durch das Wirken unseres Herrn Jesus Christus zum Lob seines Namens und zur Ehre seines Bekenners, dem Ehre, Macht, Lobpreis und Dank durch alle Ewigkeiten gebühren.
Amen.
Link zum lateinischen Text:
MONUMENTA GERMANIAE HISTORICA
https://www.dmgh.de/mgh_ss_rer_merov_6/index.htm#page/158/mode/1up
Link zum Digitalisat der Originalschrift:
auf manuscripta.at
https://unipub.uni-graz.at/obvugrscript/content/pageview/6762364