
Die Allegorie der Gerechtigkeit in St. Ägidius
In der Pfarrkirche St. Ägidius in Bergen befindet sich eine eindrucksvolle Darstellung der Gerechtigkeit – gemalt vom Nazarener Max Fürst zwischen 1882 und 1892. Die allegorische Figur ist Teil der reichen Ausmalung der Kirche, die zwischen Neoromanik und Neogotik angesiedelt ist und im Sinne der historistischen Gesamtkunst konzipiert wurde.
Die Gerechtigkeit: Attribute und Bedeutung
Die weibliche Gestalt sitzt auf einer Wolke, vor einem leuchtenden, goldfarbenen Mosaikgrund, der ihre überirdische Bedeutung unterstreicht. In der linken Hand hält sie eine Waage, Symbol für das Abwägen von Schuld und Unschuld. In der rechten Hand trägt sie ein Fasces-Bündel mit Beil – ein römisches Hoheitssymbol für Gerichtsbarkeit und staatliche Gewalt.
Bemerkenswert ist das Fehlen der Augenbinde: Diese Justitia urteilt nicht blind, sondern mit klarem Blick – eine Gerechtigkeit, die nicht formalistisch, sondern wach und verantwortungsvoll handelt.
Max Fürst und die Nazarener-Malerei
Der Maler Max Fürst war ein Vertreter der nazarenerhaften Historienmalerei des späten 19. Jahrhunderts. Seine Werke in St. Ägidius sind nicht nur Dekoration, sondern visuelle Theologie. Die Gerechtigkeit wird hier nicht als kühle Rechtsinstanz, sondern als personifizierte Tugend dargestellt, eingebettet in eine theologisch-moralische Bildwelt.
Stil und Ausführung
Die Ausführung der Malerei vereint formale Strenge mit leuchtender Farbigkeit. Der goldene Hintergrund und die ornamentale Rahmung zitieren byzantinische Vorbilder, wie sie im neobyzantinischen Historismus neu interpretiert wurden. Gleichzeitig verraten Faltenwurf und Ausdruck die Nähe zur gotischen Idealisierung, wie sie im Nazarenerstil gepflegt wurde.
Ein Ort der Symbolkraft
Die Gerechtigkeit von Max Fürst ist mehr als ein Schmuckbild – sie ist Verkündigung in Farbe und Form. Ihr Platz in St. Ägidius macht sie zu einer überwölbenden Tugend, die über dem liturgischen Geschehen wacht.