Stell dir vor, du sitzt in Vachendorf beim Wirt, bestellst dir eine Maß – und da kommt einer rein mit höfischem Gehabe, zupft sich den Spitzenjabot zurecht, lässt sich ächzend auf die Bank plumpsen und murmelt:
„Ich war in Mannheim glücklich. Und dann kam dieses Bayern.“
So etwa stellt sich Kurfürst Karl Theodor vor – ein Fürst der Übergangszeit, der Opern liebte, Aufklärung duldete und mit dem bayerischen Erbe eher unglücklich wurde. Der Inbegriff eines Monarchen, der mehr für die Künste als fürs Königreich geschaffen war.
Biografische Daten
Geboren: 11. Dezember 1724 in Brüssel
Gestorben: 16. Februar 1799 in München
Dynastie: Wittelsbacher, Linie Pfalz-Sulzbach
Titel: Kurfürst von der Pfalz (1742–1799), Kurfürst von Bayern (1777–1799)
Ehefrau: Elisabeth Auguste von Pfalz-Sulzbach
Bekannt für: Förderung von Kunst und Wissenschaft, Versuch des Gebietstauschs mit Österreich, konfliktreiche Regierung in Bayern
Residenzen: Mannheim, München
Vom Pfälzer Glanz ins bayerische Gezeter
Karl Theodor war eigentlich ein pfälzisches Gewächs. Als Kurfürst von der Pfalz hatte er Mannheim zur Kulturhauptstadt gemacht, ließ Opern spielen, Akademien gründen und war Liebling der Aufklärer – wenn auch eher als Gönner denn als Denker.
Als 1777 die bayerische Linie der Wittelsbacher ausstarb, erbte Karl Theodor widerwillig das Kurfürstentum Bayern – mitsamt der Verwaltung, den Ständeverhältnissen und der bayerischen Eigenwilligkeit. Und er war nicht begeistert. Er versuchte mehrfach, Bayern gegen Österreichs Niederlande einzutauschen – was unter anderem zu dem führte, was Historiker bis heute mit Schaudern „den Kartoffelkrieg“ nennen (weil kein Schuss fiel, aber alle marschierten).
Die Bayern? Sie mochten ihn nicht. Er mochte sie nicht. Eine Zweckgemeinschaft ohne Zuneigung.
Zwischen Aufklärung und Realitätsverweigerung
Karl Theodor war kein Despot, aber auch kein durchgreifender Reformer. Er ließ kluge Köpfe arbeiten – solange sie ihn nicht störten. Er war einer der letzten absolutistisch regierenden Fürsten, während Europa sich bereits in Richtung Revolution bewegte.
Er war gebildet, kunstsinnig, ein Sammler, ein Ästhet – aber kein Mann der Volksnähe. Und als 1799 der Tod ihn ereilte, atmeten in München viele auf. Der Nachfolger, Max IV. Joseph, wurde später König – und Karl Theodor war schnell Geschichte.
Was hat er in Vachendorf verloren?
Tatsächlich: einiges. Denn Karl Theodor war der Regent, unter dessen Herrschaft auch Vachendorf Teil des bayerischen Staatsgefüges wurde, wie es heute besteht. Seine Versuche, das Land zu verschieben, erinnerten viele daran, wie sehr Identität an Heimat hängt.
Und heute? Da stehen wir wieder vor Fragen wie: wem gehört die Geschichte, was ist Identität in einem sich wandelnden Staat, was ist eine Region wert – auch ohne Sympathie von oben?
Wenn in Vachendorf jemand sagt: „Die da oben wissen eh nicht, was hier los ist“ – dann sitzt Karl Theodor im Phantom-Wirt am Fenster und denkt: „Ja, das Gefühl kenne ich.“
Was bleibt?
Ein Kurfürst mit Theaterherz, ein Verwaltungschef ohne Leidenschaft fürs Land, ein Mann zwischen zwei Welten.
Im Phantom-Wirt rührt er langsam im Weizenbier und seufzt:
„Ich wollte Musik. Ich bekam Ministerialakten.“