„Mulier, ecce filius tuus“ – Das Epitaph für Pfarrer Oppenrieder, Detailstudie

„Mulier, ecce filius tuus“ – Das Epitaph für Pfarrer Oppenrieder, Detailstudie

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Das barocke Epitaph zeigt eine tief bewegende Darstellung: In der Mitte Christus am Kreuz, in klassischer Kreuzigungshaltung, mit dem Banner „MULIER ECCE FILIUS TUUS“ – „Frau, siehe, dein Sohn“. Dieser Satz stammt aus dem Johannes-Evangelium (Joh 19,26) und ist einer der sogenannten „sieben letzten Worte Christi am Kreuz“. Er richtet sich an Maria und den Lieblingsjünger Johannes – und wird hier theologisch aufgeladen mit einer besonderen Bedeutung für den verstorbenen Pfarrer.

Zur Rechten sehen wir zwei betende Figuren: eine Frau (vermutlich Maria) und einen männlichen Geistlichen – vermutlich Pfarrer Johann Oppenrieder selbst. Seine Haltung ist andächtig, seine Kleidung priesterlich. Besonders auffällig ist das große Wappen rechts unten, das nicht für eine Adelsfamilie, sondern wohl für sein geistliches Amt oder sein persönliches Siegel steht. Es betont seine Stellung als Hirte der Gemeinde und möglicherweise seine besondere Herkunft oder Verbindung zu einem geistlichen Benefizium.

Im Vordergrund: ein Totenschädel – klassisches barockes Vanitas-Symbol. Er erinnert an die Vergänglichkeit des Lebens und mahnt zur Umkehr. Das Motiv war im Barock üblich und verweist auf die Hoffnung auf Auferstehung.

Interessant sind auch die kleinen Häuser im Hintergrund, die eine ländliche Gemeinde darstellen – mit Kirche und Höfen. Es könnte sich dabei um eine Darstellung von Vachendorf selbst handeln, als Bild seiner irdischen Wirkstätte.


Deutung in Bezug auf Oppenrieder:

Dieses Epitaph ist mehr als Gedenkstein – es ist eine visuelle Theologie.

Pfarrer Johann Oppenrieder wird hier als neuer Johannes dargestellt – als geistlicher Sohn Mariens, ganz im Einklang mit der Grabinschrift, in der er bereits als „wahrer Johannes“ gepriesen wird. Das Bibelzitat „Mulier, ecce filius tuus“ wird dadurch zur geistlichen Selbstdeutung seines Lebens und Wirkens: Er war der von Maria Angenommene – und er hat sie seiner Gemeinde als Mutter vorgestellt.

Durch seine Handlungen (Kirchenbau, Testament, Frömmigkeit) hat er sich in das große Heilsgeschehen eingereiht. Das Bild zeigt ihn nicht als Helden, sondern als demütigen Diener, der seinen Platz unter dem Kreuz eingenommen hat.


Fazit:

Das Epitaph ist ein meisterhaftes Zusammenspiel aus Bild, Schrift und theologischer Botschaft. Es verkörpert den barocken Glaubenshorizont, die lokale Frömmigkeit in Vachendorf und die persönliche Handschrift eines Pfarrers, der sich nicht selbst erhöhen wollte, sondern ganz in der Marienverehrung und Christusnachfolge aufging.


Quelle für den Beitrag:

Foto: Jochen Nistler, 2025

Motiv: Epitaph für Pfarrer Johann Oppenrieder, Kirche Vachendorf

Deutung nach Ortschronik Vachendorf 1995 und eigener Analyse