Mit der Absetzung von Herzog Tassilo III. im Jahr 788 durch Karl den Großen endete im bairischen Stammesherzogtum eine Epoche. Die Agilolfinger waren entmachtet, das Herzogtum wurde aufgelöst, und Bayern kam unter direkte Kontrolle des fränkischen Kaisers. Was folgte, war ein tiefgreifender Wandel – auch im Chiemgau. Der folgende Beitrag zeigt, wie sich die Herrschaft in unserer Region Schritt für Schritt veränderte.
Der Chiemgau unter fränkischer Kontrolle
Nach 788 wurde Bayern nicht mehr durch einen Herzog regiert, sondern durch karolingische Gaugrafen. Diese waren Beamte des Königs und verwalteten die einzelnen Gaue im Auftrag des Kaisers. Im Chiemgau sind zwar nur wenige Namen überliefert, doch die Struktur ist klar: Die weltliche Gewalt ging von der Herzogsfamilie auf das Reich über.
Parallel dazu stieg die Bedeutung der Kirche, vor allem des Erzbistums Salzburg, das 798 erhoben wurde. Der östliche Chiemgau mit seinen Klöstern, Höfen und frühen Siedlungen geriet zunehmend in den Einflussbereich Salzburgs – nicht nur geistlich, sondern auch als Grundherr.
Die Aribonen und der neue Adel
Im 10. Jahrhundert trat eine neue Adelsfamilie in Erscheinung: die Aribonen. Sie stammten wohl aus dem Raum Freising, wurden aber bald zu einer der mächtigsten Familien im Ostbayerischen Raum. Einige von ihnen stellten Erzbischöfe von Salzburg, andere herrschten über Burgen, Klöster und Höfe im Chiemgau.
Ihr Einfluss war sowohl geistlich als auch weltlich spürbar: Kloster Seeon, Traunstein, das Achental – vielerorts trifft man in dieser Zeit auf aribonischen Besitz oder Vogteirechte. Gegen Ende des 11. Jahrhunderts zerfiel jedoch ihr Einflussbereich, und neue Familien traten an ihre Stelle.
Die Spanheimer und Falkensteiner
Im 12. Jahrhundert rückten zwei neue Großmächte in den Chiemgau vor: die Spanheimer aus Kärnten und die Falkensteiner aus dem Hochland.
Die Spanheimer übernahmen durch Erbschaft und Heirat umfangreiche Besitzungen, etwa um Trostberg, Seeon und Marquartstein. Sie übernahmen auch die Vogtei über das Kloster Seeon, was ihnen zusätzliche Macht sicherte. Sie stellten Markgrafen von Kraiburg und Herzöge von Kärnten – ein echter Hochadel mit engem Bezug zum Chiemgau.
Die Falkensteiner herrschten unabhängig von ihnen im westlichen Rupertiwinkel, mit eigener Burg und einem Netz von Ministerialen. Sie waren ehrgeizig, aber nicht dauerhaft erfolgreich: Um 1260 wurde ihr letzter Vertreter, Kuno, enteignet. Der Besitz fiel an den bayerischen Herzog Ludwig II., genannt “der Strenge”.
Die Wittelsbacher übernehmen
Mit dem Aussterben der Spanheimer Linie (1259) und der Entmachtung der Falkensteiner fiel ein Großteil des Chiemgaus an die Wittelsbacher, das damals junge Herrschergeschlecht im Herzogtum Bayern.
Sie organisierten die Region neu, richteten Pfleggerichte und Verwaltungszentren ein – z. B. in Trostberg. Damit wurde der Chiemgau Teil des bayerischen Kernlandes. Die Zeit der rivalisierenden Adelsgeschlechter war vorbei. Stattdessen begann die Phase der landesherrlichen Verwaltung, wie sie sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten sollte.
Was bedeutet das für Vachendorf und Umgebung?
Auch wenn Vachendorf in den Quellen dieser Zeit nicht immer direkt genannt wird, war es vom Wandel tief betroffen. Der Grundbesitz wechselte Hände, Klöster wurden gegründet oder vergrößert, die Gerichtsbarkeit neu geordnet. Der Einfluss Salzburgs blieb stark, vor allem im geistlichen Bereich, aber die weltliche Macht ging zunehmend an Bayern über – spätestens mit den Erhartinger Verträgen von 1254 und 1275, in denen Salzburg zwar Grundbesitz behielt, Bayern aber die Hochgerichtsbarkeit übernahm.
Fazit
Vom Sturz Tassilos III. bis zum Auftreten der Wittelsbacher vergingen fast 500 Jahre – eine Zeit, in der der Chiemgau zwischen den Mächten zerrieben wurde: Reich, Kirche, Adelsfamilien. Erst mit der Landesherrschaft der Wittelsbacher kehrte eine dauerhafte Ordnung ein. Doch die Spuren der alten Familien, der Klöster und frühen Rechtstraditionen prägen unsere Landschaft bis heute.