Wenn man an einen Monarchen denkt, stellt man sich gerne etwas Majestätisches vor. Eine Gestalt mit Macht, Haltung, einer gewissen Schwere im Gang und einer Stimme, die etwas zu sagen hat. Doch in Bayern wurde aus der königlichen Stimme über ein Jahrhundert hinweg ein höfliches Murmeln – bis am Ende niemand mehr wirklich hinhörte.
Die Geschichte beginnt eigentlich sehr klangvoll. 1806 wird aus dem Kurfürstentum Bayern ein Königreich. Max I. Joseph ist der erste, der die neue Würde trägt. Er war keiner, der sich mit dem Prunk der Habsburger oder dem Pomp Napoleons messen wollte. Aber er war tatkräftig, bürgernah, modern. Er sortierte die Verwaltung, ordnete das Schulwesen, baute eine Art Grundgerüst für ein modernes Staatswesen. Seine Krone war nicht bloß Schmuck, sie bedeutete tatsächlich Macht.
Dann kam sein Sohn Ludwig I. – und mit ihm das Goldene München. Er war kunstbegeistert, hatte große Pläne und ein noch größeres Ego. Aber auch eine Schwäche für die falschen Frauen. Als ihm 1848 das Volk wegen seiner Mätresse Lola Montez auf die Barrikaden stieg, musste er abdanken. Es war das erste Mal, dass ein bayerischer König seinen Platz räumte, weil der Druck von unten zu groß wurde. Man könnte sagen: Die Krone rutschte.
Sein Sohn Max II. war klüger und vorsichtiger. Ein Philosophenkönig, wie ihn die Historiker später nennen würden. Er sprach mit Dichtern, hörte auf Wissenschaftler, ließ das Parlament mitreden. Und genau das war der Punkt: Er ließ mitreden. Der Einfluss des Landtags wuchs, die Ministerien bekamen eigene Köpfe. Der König regierte noch, aber er war nicht mehr allein auf der Bühne.
Und dann kam Ludwig II. – die Figur, an der sich bis heute halb Bayern abarbeitet. Der Märchenkönig, der Schlösser baute, mit Wagner korrespondierte und sich langsam aus der Politik verabschiedete. Er wollte keine Minister treffen, keine Akten sehen, keinen Alltag regieren. Sein Königreich wurde zum Bühnenbild, die Regierung lief auch ohne ihn weiter. 1886 wurde er entmündigt. Als er starb, war klar: Die Monarchie ist zwar noch da – aber regiert wird längst anderswo.
Was folgte, war die lange Regentschaft seines Onkels Luitpold. Der wollte nie König werden und tat auch nicht so. Er war beliebt, bürgernah, fast gemütlich. Bayern wurde unter ihm ruhiger, reifer, ein bisschen demokratischer. Das Parlament spielte eine größere Rolle, das Kabinett arbeitete selbständig. Die Monarchie war noch das Dach – aber das Haus darunter war längst parlamentarisch eingerichtet.
Luitpold starb 1912. Sein Sohn Ludwig ließ sich 1913 zum König ausrufen – nicht mehr als Regent, sondern als König Ludwig III. Das wirkte ein wenig wie der Versuch, den alten Glanz zurückzuholen. Doch der Erste Weltkrieg rückte an, das Land war im Ausnahmezustand, die Entscheidungen fielen in Berlin, nicht in München. Als 1918 die Revolution kam, reichte ein kurzer Brief, um die „Ausübung der Regierungsgeschäfte“ niederzulegen. Kein Aufstand, kein Gewehrfeuer, keine flammende Abdankung. Die Monarchie wurde in Bayern nicht gestürzt. Sie ging einfach.
Und genau darin liegt vielleicht die ganze Geschichte: Die bayerische Krone war über hundert Jahre nicht gefallen – sie war einfach immer leichter geworden. Am Ende war sie nur noch ein Symbol. Und als sie abgesetzt wurde, hat es kaum einer bemerkt. Man hatte sich längst daran gewöhnt, dass andere regierten.