Vom Eis zum Acker – Klima und Besiedlung im Chiemgau von der Nacheiszeit bis zur Bronzezeit (ca. 10.000–1500 v. Chr.)

1. Einleitung

Mit dem Ende der letzten Kaltzeit vor rund 12.000 Jahren begann ein klimatisch stabiles Zeitalter – das Holozän. Diese Periode markiert den Übergang von einer nomadischen Lebensweise zu sesshaften Gemeinschaften mit Ackerbau und Viehzucht. Im Chiemgau und dem bayerischen Alpenvorland zeigen sich diese Umbrüche in archäologischen Funden, Moorprofilen und See-Sedimenten. Diese Quellen erlauben eine erstaunlich genaue Rekonstruktion des damaligen Klimas und seiner Auswirkungen auf die frühe Besiedlung.

2. Klimatische Entwicklung im frühen Holozän

Die sogenannte Jüngere Dryas (ca. 10.700–9.600 v. Chr.) war ein letzter abrupter Kälterückfall. Danach folgte eine rasche Erwärmung, die das Holozän einleitete. Im Alpenvorland begann sich Laubwald auszubreiten, Moore bildeten sich aus, und die Pegelstände vieler Seen, darunter der Chiemsee, stabilisierten sich.

Das anschließende Atlantikum (ca. 5000–3000 v. Chr.) gilt als die wärmste Phase des Holozäns. In dieser Zeit zogen sich Gletscher in den Hochalpen massiv zurück. Das Klima war feucht-warm – ideal für frühe Ackerbaukulturen.

3. Besiedlung und Kulturentwicklung

Im Alpenvorland erscheinen ab etwa 5500 v. Chr. erste feste Siedlungsspuren der Bandkeramischen Kultur. Diese frühen Bauern lebten bevorzugt auf Schotterterrassen und Seeufern. Ihre Präsenz ist durch Keramik, Silexgeräte und Getreidereste belegt. In der folgenden Bronzezeit (ab ca. 2200 v. Chr.) nehmen Metallverarbeitung, Handelsbeziehungen und soziale Differenzierung zu. Besonders fruchtbare Lagen – wie rund um den Chiemsee, Traunstein oder den Tachinger See – waren früh besiedelt.

4. Klimaindikatoren und archäologische Befunde

Die Klimaentwicklung dieser Zeit ist durch verschiedene Befundgruppen gut dokumentiert:

  • Pollenprofile: zeigen die Zunahme von Hasel, Ulme und später Getreidepollen (Kulturanzeiger)
  • Moorablagerungen: belegen Trocken- und Feuchtphasen in Jahres- oder Dekadenskala
  • Dendrochronologie: erste Eichendatierungen ab der Bronzezeit belegen nutzbares Bauholz in großer Zahl
  • Fundverteilungen: geben Hinweise auf Siedlungsverdichtung in klimatisch begünstigten Lagen

5. Auswirkungen auf die Landschaft

Der Mensch begann aktiv in das Landschaftsgefüge einzugreifen. Wälder wurden gerodet, Moore partiell entwässert, Weideflächen erschlossen. Erste Almnutzungen sind für spätere Abschnitte der Bronzezeit am Alpenrand archäologisch wahrscheinlich, wenn auch nicht eindeutig belegt.

6. Fazit

Die Zeit zwischen dem Ende der Eiszeit und der Spätbronzezeit war klimatisch stabil, von günstigem Wetter geprägt und legte den Grundstein für die dauerhafte Besiedlung des Chiemgaus. Die Kombination aus milder Witterung, fruchtbarem Lössboden und zugänglichem Wasser machte die Region zu einem bevorzugten Siedlungsraum – mit Spuren, die bis heute im Boden schlummern.


Literatur und Quellen

  • G. Schmid, Die prähistorische Besiedlung des bayerischen Alpenvorlandes, München 1998.
  • J. Sirocko (Hg.), Klima und Kulturgeschichte, Stuttgart 2012.
  • Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege: Fundberichte aus Bayern (diverse Jahrgänge)
  • R. Patzelt: Dendrochronologie in Bayern – Methoden und Ergebnisse, Regensburg 2015.
  • PAGES 2k Network, Temperature variability over the Common Era, Nature Geoscience (2013)
Zur Übersicht:
Klimageschichte des Chiemgaus

Reihe:
1. Vom Eis zum Acker (Neolithikum–Bronzezeit)
2. Eisenzeit & Römische Warmzeit
3. Kälte & Umbruch (Spätantike–Frühmittelalter)
4. Mittelalterliche Warmzeit
5. Kleine Eiszeit
6. Neuzeit & Anthropozän