Eisenzeit und Römische Warmzeit – Klimaverhältnisse und Kulturlandschaft im Chiemgau (ca. 750 v. Chr. – 250 n. Chr.)

, , ,

1. Einführung

Die Zeit zwischen Hallstattkultur, Latènekultur und römischer Provinzialisierung Südostbayerns war von tiefgreifenden kulturellen wie klimatischen Wandlungen geprägt. Während sich in Mitteleuropa soziale Strukturen und Siedlungsmuster ausdifferenzierten, herrschte über weite Strecken ein vergleichsweise mildes, stabiles Klima – mit großer Bedeutung für Landwirtschaft, Mobilität und Infrastruktur.

2. Klimatische Entwicklung

Ab etwa 500 v. Chr. setzte eine langsame Erwärmung ein, die um die Zeitenwende ihren Höhepunkt erreichte. Die sogenannte „Römische Warmzeit“ (ca. 250 v. Chr. – 250 n. Chr.) war gekennzeichnet durch:

  • milde Winter und lange Vegetationsperioden
  • ausgedehnte Trockenphasen im Sommer, jedoch ohne Dürrecharakter
  • stabilere Witterungsverhältnisse als in den Jahrhunderten zuvor

Diese Phase gilt in der alpinen Klimageschichte als eine der günstigsten Perioden für agrarische Expansion.

3. Auswirkungen im Alpenvorland

Die Warmzeit erlaubte eine Ausweitung der Ackerbaugrenzen bis in mittlere Höhenlagen (800–900 m ü. NN). In den Flusstälern und Becken des Chiemgaus entstanden dichte Siedlungsnetzwerke. Hinweise auf klimatisch begünstigte Nutzung finden sich unter anderem:

  • in Weinbaugrenzen – Rebstöcke wurden bis an den Alpenrand kultiviert
  • in der Getreidevielfalt (z. B. Emmer, Dinkel, Gerste, später auch Hafer)
  • in der intensiven Nutzung von Marsch- und Auengebieten für Weidewirtschaft

4. Römische Infrastruktur und Klimanutzung

Mit der römischen Besetzung des Voralpenlands ab dem 1. Jahrhundert v. Chr. begann eine systematische wirtschaftliche Erschließung. Die milden klimatischen Bedingungen begünstigten:

  • den Bau von Straßen (Via Julia, Via Claudia Augusta)
  • die Anlage von Villae rusticae mit gutem Wasseranschluss und geschützten Lagen
  • den Ausbau regionaler Märkte und Speichertechniken

Im Bereich des heutigen Seebruck (Bedaium) und Chieming sind mehrere villae rusticae und Gutshöfe archäologisch belegt. Diese Höfe profitierten vom feuchten, aber warmen Seeklima.

5. Quellenlage und Klimaindikatoren

Die römische Warmzeit ist im Chiemgau und Alpenvorland gut belegbar durch:

  • Dendrochronologie: z. B. datiertes Bauholz aus Römerkastellen
  • Paläobotanik: Pollenprofile aus Mooren mit deutlichem Anteil kultivierter Pflanzen
  • archäologische Fundverteilung: Dichte römischer Gutshöfe in fruchtbaren Schwemmlandzonen
  • schriftliche Quellen: römische Agrarschriftsteller berichten von günstigen Anbaubedingungen in Raetien und Noricum

6. Fazit

Die Römische Warmzeit markiert eine Phase relativer Stabilität, in der Klima und Kultur in engem Einklang standen. Sie ermöglichte eine durchdachte Landnutzung und dichte Besiedlung – Spuren davon sind noch heute in der Flurstruktur, in Wegverläufen und Ortsnamen zu erkennen. Mit dem Einsetzen der Klimaverschlechterung ab dem 3. Jahrhundert änderten sich sowohl die naturräumlichen als auch die politischen Rahmenbedingungen radikal.


Literatur und Quellen

  • U. Eberl: Archäologie und Klima in der römischen Kaiserzeit, Stuttgart 2011.
  • R. Patzelt: Die Klimageschichte des Alpenraums in der Antike, Innsbruck 2004.
  • J. Sirocko (Hg.): Klima und Kulturgeschichte, Stuttgart 2012.
  • Fundberichte des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege (diverse Jahrgänge)
  • PAGES 2k Consortium, Global temperature reconstruction of the Common Era, 2013.
Zur Übersicht:
Klimageschichte des Chiemgaus

Reihe:
1. Vom Eis zum Acker (Neolithikum–Bronzezeit)
2. Eisenzeit & Römische Warmzeit
3. Kälte & Umbruch (Spätantike–Frühmittelalter)
4. Mittelalterliche Warmzeit
5. Kleine Eiszeit
6. Neuzeit & Anthropozän